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Ausstellung
Eine Zeitreise
Seit 1978 befindet sich das Terra-Sigillata-Museum in den
ehemaligen Klassenräumen des "Alten Schulhauses".
In dem 2006/ 2007 neu konzipierten und modern gestalteten Museum wird in vier Räumen die römische Geschichte Rheinzaberns präsentiert. Auf 320 qm Fläche werden unsere Gäste durch
verschiedene Themenbereiche des römischen Alltags
geführt:
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Was ist Terra Sigillata?
Terra Sigillata ist der Name für ein römisches
Tafelgeschirr mit einem roten Glanztonüberzug. Die
Bezeichnung stammt aus dem 19. Jahrhundert |
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Zeit
und Raum – Chronik in Ton (Raum1)
Der Besucher wird vom heutigen Rheinzabern zurück in das
römische Tabernae geführt.
In einer Zeitleiste wird
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die Forschungsgeschichte
zum
römischen Rheinzabern, |
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die Tradition der tonverarbeitenden
Industrie und |
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die römische Geschichte des
Ortes aufgezeigt. |
Standortfaktoren in Tabernae
Entscheidend für die Entwicklung von einer einfachen Straßenstation
zu einem der größten Keramikproduktionszentren des
römischen
Reiches waren:
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Rohstoffvorkommen (Ton, Wasser
und Holz) |
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verkehrsgeografische Anbindung
(Fernstraße
und Rhein) |
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ein großer Absatzmarkt |
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eine gute Infrastruktur vor Ort |
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fähige Handwerker |
Südlich von Tabernae stießen die
Mainzer Legionen beim Bau der Fernstraße auf große
Tonlagerstätten. Hier konnten sie den Rohstoff für
Baukeramiken gewinnen, den sie für den Ausbau von Truppenstandquartieren
und den Aufbau einer Infrastruktur brauchten (um 45 –
85 n.Ch.). Auch Holz war im Übermaß vorhanden.
Die Nähe zum Rhein, sowie die Lage von Tabernae
an der Fernstraße sicherten den Transport der Keramikprodukte.
Für viele waren diese Bedingungen so ideal, dass sie
nach Tabernae kamen, wie Ianus und Reginus aus Heiligenberg
im Elsass um die Mitte des 2. Jahrhunderts. Für die nächsten
100 Jahre sind mindestens 600 weitere Töpfer bzw. Werkstätten
durch Namensstempel oder Fabrikmarken auf der Keramik nachgewiesen.
Baukeramikproduktion im Auftrag
römischer Legionen
Die Anwesenheit von Militärpersonal am Ort ist durch
einige Funde militärischer Gegenstände belegt, die
alle aus zivilen Wohnbereichen stammen. Daraus lässt
sich schließen, dass Kleinbetriebe durch das Militär
mit der Produktion von Baukeramik beauftragt wurden.
Die Militärverwaltung
nahm die Ware ab, indem sie diese mit Legionssiegeln, die
als Stempelabdruck auf Ziegeln erhalten sind, kennzeichnete.
Versorgung mit Nahrungsmitteln
Die Menschen in Tabernae wurden von kleineren Landwirtschaftsbetrieben
aus dem näheren Umkreis mit Nahrungsmitteln versorgt.
Davon zeugen noch Pflugspuren, Getreidedarren sowie Pflugscharen
und Getreidemühlen. Netzsenker deuten auf Fischfang
hin. Amphoren dienten als Aufbewahrungsgefäße
für
Lebensmittel.
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Lebenswelten – Leben
im Vicus (Raum 2)
Ianus, Florentinus und Marcus sind nur drei der jungen
Männer, die im 2. oder 3. Jahrhundert in Tabernae als
Töpfer arbeiteten. In keinem anderen Vicus (Siedlung)
sind so viele Einwohner namentlich bekannt wie hier. Namensstempel
(Punzen), Fußabdrücke
auf Ziegeln, Fingerabdrücke auf Terra Sigillata Gefäßen überwinden
die Anonymität der anderen Funde. Pinzetten, Salbgefäße,
Knochenkämme, Beschläge von Gürteln, Knöpfe,
Nadeln, Fibeln, Fingerringe oder Perlen werfen Schlaglichter
auf privates Leben und erzählen uns, wie die Menschen
damals ihren Köper pflegten, wie sie sich kleideten und
welchen Schmuck sie trugen.
Die Bewohner von Tabernae waren einfache Leute. Sie wohnten
in Fachwerkhäusern, deren Ausstattung und bewegliches
Inventar schlicht waren. Truhenbeschläge, Schlösser
und Schlüssel, Bronzegeschirr, Glasgefäße,
Messer, Scheren und ähnliche Funde belegen dennoch einen
gewissen Wohlstand der Bewohner.
Religion
In jedem Haus gab es wohl einen Hausaltar (lararium), an
dem neben den Hausgöttern (Laren) besonders die Götter
des Handwerks und des Handels, Minerva und Mercur, verehrt
wurden.
Grabbeigaben und Grabkultur
Bis zum 4. Jahrhundert war es Sitte, den Toten Speisen,
Getränke
und Gegenstände aus ihrem persönlichen Besitz mit
in das Grab zu geben. Die Grabbeigaben deckten beinahe alle
Lebensbereiche ab, da man glaubte, dass die Toten in irgendeiner
Weise weiterlebten. Zum Beispiel sollten ihnen Lampen auch
im Jenseits Licht geben.
Andere Beigaben wie Räucherkelche
und kleine Glasfläschchen
zeugen von der Sitte, während der Bestattungszeremonie
Myrrhe oder Weihrauch zu verbrennen und den Toten mit wohlriechenden Ölen
zu besprengen. Vier Gräberfelder mit mehr als 600 Gräbern
geben wichtige Einblicke in die Lebenswelt und in die Sozialstruktur
der Menschen in den ersten vier Jahrhunderten.
Unter dem stärker
werdenden Einfluss des Christentums ging seit dem 4. Jahrhundert
die Beigabensitte langsam zurück.
Produktion von Baukeramik
Baukeramik war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Zeitweise
produzierten Großziegeleien monatlich fast 20.000
Ziegel. Dazu war die gesamte Herstellung nach den Prinzipien
eines industriellen Produktionsablaufs organisiert:
Tongewinnung > Tonaufarbeitung > Ziegelstreichen
> Trocknen > Brennen >
Lagern > Vertrieb
Baukeramik-Produkte:
Dachziegel, Ziegelplatten, Rundziegel, Hohlziegel, Ziegelrohre,
spezielle Brennofenkeramik.
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Terra Sigillata
Herstellung im Manufakturbetrieb
(Raum 3)
In diesem Raum stehen Entstehung, Produktion, Verzierung und
Brennen der Terra Sigillata im Mittelpunkt. Eine Teilrekonstruktion
eines Terra Sigillata Brennofens bildet die zentrale begehbare
Rauminstallation.
Werkzeuge, Werkzeugspuren an den Gefäßen, Ofenkeramik
oder Brennhilfen belegen einzelne Produktionsschritte im
Fundmaterial.
Produktionsschritte:
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Tongewinnung |
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Aufbereiten des
Tons = Schlämmen |
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Glanztonüberzug
(Engobe) herstellen |
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Drehen der Gefäßrohlinge |
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Herstellen der
Punzen und Formschüsseln |
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Anbringen der verschiedenen
Dekorationen (Tonschlickermalerei = Barbotine, Ratterdekor,
Kerbschnitt) |
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Anbringen der Standringe |
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Eintauchen in die
Engobe |
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Trocknen |
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Brennen |
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Lagern |
Brennvorgang
Die Terra Sigillata Gefäße wurden in großen
Spezialöfen bei einer Temperatur von 950-1000 Grad
Celsius gebrannt. Dabei wurden die Heizgase in Rohrleitungen
durch die Brennkammer geführt, damit die feinen rotglänzenden
Gefäßoberflächen nicht durch Ruß,
Asche oder Holzkohle verschmutzten. Etwa 20 dieser Öfen
wurden bisher in Rheinzabern ausgegraben.
Manufakturbetrieb
Weil Klein- oder Familienbetriebe
diesen Produktionsablauf nicht
mehr bewerkstelligen konnten, brauchte
man arbeitsteilige
Verfahren. So arbeiteten verschiedene Spezialisten
zusammen: Stempelschneider, Formschüsselhersteller, Ausformer
und Brenner. Daher spricht man bei der Produktion von
Terra Sigillata Gefäßen auch von Manufakturen.
Aufgrund der idealen Standortfaktoren entwickelte sich
Tabernae zu einer der größten römischen
Terra Sigillata Manufakturen.
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Töpfermarkt
Produkte,
Handel und Vertrieb (Raum 4)
Ein Töpfermarkt versetzt die Besucher auf einen Marktplatz
im römischen Tabernae. Hier erleben sie, welches Angebot
die Händler für ihre Kunden bereithielten.
Tafel- und Gebrauchsgeschirr
Neben feiner Terra Sigillata und Baukeramik wurde in Tabernae
auch Tafel- und Gebrauchsgeschirr für den Alltag hergestellt.
Die Produktpalette umfasste Koch- und Essgeschirre (Töpfe,
Becher, Schüsseln, Teller), Gefäße zur Essenszubereitung
wie die Reibschalen sowie Vorrats- und Transportgefäße
(Amphoren, Dolien, Krüge).
Tafelgeschirr wurde in unterschiedlichen
Qualitäten
hergestellt:
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Terra Nigra
Die schwarze Farbe der Gefäße gibt dieser Keramik ihren Namen. Zum
Tafelgeschirr aus Terra Nigra zählten Teller, Schüsseln, Töpfe,
Krüge und Becher. Die Gefäße wurden sorgfältig geglättet
oder poliert. Häufig trugen sie Verzierungen durch eingeglättete Linien,
Rollrädchen, aufgelegte Tonringe und Schuppen oder Punktreihen aus Tonschlicker. |
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Rot überzogene Glanztonware
Aus roter Glanztonware stellte man meist Töpfe, Becher, Schüsseln und
Teller her. Die Gefäße konnten durch plastische Tonringe und Schuppen
oder Rollrädchen verziert sein. Becher und Töpfe besaßen häufig
eine mit Griesbewurf aufgeraute Oberfläche. |
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Schwarz überzogene
Glanztonware
Aus schwarz überzogener Glanztonware wurden ausschließlich Trinkbecher
gefertigt. Diese hatten häufig Falten oder Dellen und konnten durch Rollrädchen
verziert sein. Einige Stücke waren sehr dünnwandig und besaßen
einen metallischen Glanz. |
Handel und Vertrieb
Voraussetzung für die Marktbeherrschung von Tabernae
waren, ebenso wie in der modernen Marktwirtschaft, Vertrieb
und Absatz der Produkte. Spezialisierte Keramikhändler
(negotiatores rei cretariae) organisierten den Handel.
Die
zerbrechliche Ware wurde möglichst auf
Rhein und Donau
transportiert.
Hauptabsatzgebiete für die Terra Sigillata aus Tabernae
waren das rechtsrheinische Gebiet und die Provinzen an der
Donau. Aber auch nach Britannien und zu den Germanen bis
nach Skandinavien und Polen gelangten die Gefäße.
So befinden sich im Britischen Museum in London originale
Terra Sigillata-Gefäße, die in Rheinzabern produziert
und in England ausgegraben wurden.
Terra Sigillata muss im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. für
weite Teile der Bevölkerung bezahlbar gewesen sein.
Eine Reliefschüssel kostete zu dieser Zeit 20 As, ein
Legionär verdiente 16 As
am Tag.
"Die römischen Töpfer hier in Rheinzabern,
das waren
die 'Global Player' der Römerzeit."
(Peter Hamburger,
ehem. Leiter des Terra-Sigillata-Museums bis 2011) |
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